Der Christopher Street Day (CSD) wird jedes Jahr von homo-, bi- und transsexuellen Menschen auf der ganzen Welt begangen , um ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft zu vergrößern, für ihre Rechte einzustehen und den Stolz auf ihre Identität zum Ausdruck zu bringen. Er geht auf ein konkretes Ereignis Ende der 60er Jahre im New York City zurück.
Am 28.06.1969 widersetzten sich Homosexuelle erstmals einer Polizei-Razzia in einer Schwulenbar – dem Stonewall Inn – in der Christopher Street. Die damals noch gängigen Razzien, waren erniedrigend und häufig von Gewalt gegen friedliche Menschen in den Bars begleitet. Nach dem Vorfall formierten sich politische Gruppierungen der Szene, die Toleranz und mehr Rechte forderten. Die Demonstrationen am Jahrestag der Unruhen breiteten sich bald auf andere Städte und Länder aus, ab 1979 auch in Deutschland.
Anlässlich des CSD wollen wir in Ulm – auch digital – und mit Blick auf die NS-Geschichte daran erinnern. Denn in Ulm und anderen deutschen Orten war der Kampf um gleiche Rechte durch die Verfolgungserfahrung von Homosexuellen in der NS-Zeit und deren fehlende Anerkennung nach 1945 geprägt. Er richtete sich so auch gegen das Fortbestehen des berüchtigten § 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte.
Der Paragraf, der noch auf die Kaiserzeit zurückging, war im Nationalsozialismus verschärft worden. Homosexuelle wurden als „Feinde des Volkes“ stigmatisiert und ab Mitte der 1930er Jahre als Staatsfeinde von der Gestapo verfolgt. Die Behörden betrieben einen hohen Aufwand, der tief in das Privatleben der Betroffenen eingriff. Ca. 50.000 Männer wurden reichsweit verurteilt und in Gefängnissen oder Zuchthäusern inhaftiert. 6.000 bis 7.000 Männer wurden nach dem Ende der Justizhaft in Konzentrationslager verschleppt, etwa 5.000 Männer überlebten die Verfolgung nicht.
Die strafrechtliche Verfolgung ging nach Ende des Nationalsozialismus weiter und der § 175 wurde erst 1994 ersatzlos gestrichen. 2017 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Rehabilitierung der in der Bundesrepublik verurteilten homosexuellen Männer. Der jahrzehntelange Kampf um gesellschaftliche Anerkennung ist dabei weder in Deutschland noch in Europa abgeschlossen.