Einweihung des Erinnerungszeichens für die Ulmer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Morden, 2019. Foto: Georg Wodarz

Gedenkveranstaltung des Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreises 27. Januar, 2018

Eröffnung der Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ in der KZ-Gdenkstätte, 2018. Dr. Nicola Wenge, Dr. Mirjam Zadoff, Dr. Michael Blume, Bürgermeisterin Iris Mann, Rabbiner Shneur Trebnik (v.l.)

Lokale Erinnerungskultur

Das DZOK setzt sich aktiv für die Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in Ulm und Region ein. Dazu gehört die Entwicklung und Realisierung von Gedenktafeln und Erinnerungszeichen im Stadtraum ebenso wie die Durchführung von Stadtrundgängen, künstlerischen Projekten und vielfältigen Veranstaltungen. Das inhaltliche Themenspektrum ist breit gespannt. Dazu gehören u.a. jüdische Geschichte/Antisemitismusprävention, die Erinnerung an die Opfer von NS-Zwangssterilisation, „Euthanasie“-Morden und NS-Militärjustiz, die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ und ihr Ulmer Umfeld, die Verfolgung Homosexueller oder die Unterstützung von Stolpersteinverlegungen.

Viele der Initiativen, Aktionen und Interventionen erfolgen in Kooperation mit unterschiedlichen Partnern, vielfach mit der Stadt Ulm. Die Mitarbeit in der AG Straßennamen des Ulmer Gemeinderats und im breit aufgestellten Arbeitskreis 27. Januar Ulm/Neu-Ulm sind in diesem Zusammenhang ebenso zu nennen wie die Unterstützung der Stolpersteininitiative oder die Koordinierung des Europäischen Tags der jüdischen Kultur in Ulm. Zentrales Anliegen ist es, Bürger*innen vor Ort sehr konkret die Bedeutung und die Folgen des Nationalsozialismus zu veranschaulichen und Gegenwartsbezüge zu ermöglichen, auch Impulse aus der Bürgerschaft aufzugreifen und aktiv zu unterstützen.

Die Weiße Rose und ihr Ulmer Umfeld

Die Weiße Rose und ihr Ulmer Umfeld ist ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt des DZOK. Das Dokumentationszentrum regt zur Auseinandersetzung mit Hans und Sophie Scholl und dem Ulmer Jugendwiderstand an, u.a. in Form von Stadtgängen, Projekten, Publikationen und der Betreuung von Schüler*innenarbeiten. Eine kritische Rezeptionsgeschichte und die Zurückweisung politischer Vereinnahmungen des Widerstands gehören ebenfalls zum Aufgabenspektrum. Das Thema bildet einen Sammlungsschwerpunkt in Archiv und Bibliothek mit zahlreichen Dokumenten, Fotos und Zeitzeug*inneninterviews. Auf dieser Basis unterstützt das DZOK auch externe Recherchen. Aktuell plant das DZOK – im Verbund mit vielen Partnern – eine breit angelegte Veranstaltungsreihe zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl am 9. Mai 2021.

26. Februar 2017, 73 Jahre nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl, vor der Stele am Hans-und Sophie-Scholl-Platz in der Ulmer Innenstadt

Jüdische Geschichte und Antisemitismusprävention

Einer der laufenden Arbeitsschwerpunkte des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg ist die Sammlung und Bewahrung von Material zur Ulmer jüdischen Geschichte im 20. Jahrhundert, überwiegend aus privatem Besitz. Das DZOK verfügt zudem über eine aussagekräftige Recherche- und Literatursammlung zur Geschichte des Antisemitismus in der Region. Auf dieser Grundlage werden Anfragen beantwortet, Recherchen, insbesondere von Angehörigen, unterstützt und Schüler*innenarbeiten betreut. Zum Zweck einer antisemitismuskritischen Bildungsarbeit entwickelt und realisiert das DZOK zudem Veröffentlichungen und Ausstellungen, pädagogische und erinnerungskulturelle Veranstaltungen, Vorträge, Stadtführungen und Projekte zur jüdischen Geschichte und zum jüdischen Leben heute für ein breites Publikum.

Blick in ein Fotoalbum zur Ulmer jüdischen Gemeinde, das das DZOK gemeinsam mit Rabbiner Trebnik für die Ausstellung „Jüdisches Leben in Deutschland“ erstellte

Die Erinnerung an die Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Morden

Ein relativ junges Zeugnis der Ulmer Erinnerungskultur befindet sich seit Herbst 2019 am Justizgebäude in der Olgastraße und ist den Opfern von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Morden gewidmet. Über 80 Jahre hatte nichts in der Stadt an die Menschen mit Krankheiten und Behinderungen erinnert, denen als „Ballast für die Volksgemeinschaft“ erst das Recht auf Fortpflanzung, dann das Recht auf Leben abgesprochen wurde. Um diese Lücke zu schließen, hat das DZOK nach zweijähriger Vorarbeit mit Ulmer Bürger*innen und dem Stadtarchiv sowie mit Unterstützung von Stadt, Land und Landgericht das Erinnerungszeichen errichtet. Es präsentiert in knapper Form auch wichtigste Informationen zu den Tathintergründen. Ein 2020 veröffentlichtes Gedenkbuch bietet vertiefende Informationen und enthält Lebensgeschichten der Opfer. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist nicht abgeschlossen. Ein Initiativkreis, dem das DZOK angehört, plant weitere Aktionsformen.

Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus

Anlässlich des 27. Januar 2018 stellte der Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreis erstmalig die Verfolgung von Homosexuellen in Ulm in den Mittelpunkt. Der Arbeitskreis war auf Quellensuche gegangen, hatte eine Lesung zum Gedenken erarbeitet, Expert*innen gefunden, die neue Forschungsergebnisse präsentierten und mit Zeitzeugen über die Verfolgung nach 1945 gesprochen. Das Stadthaus veröffentlichte den Vortrag von Referentin Julia Munier. Das DZOK übernahm die Quellensammlung in sein Archiv, dokumentierte die Ergebnisse der Recherche und widmete das Heft 68 seiner Mitteilungen dem Thema. Es trägt die Erinnerung an jene Ulmer weiter, die wegen Ihrer Homosexualität verfolgt und in Konzentrationslager verschleppt wurden. So zuletzt in einem ökumenischen Gottesdienst im Ulmer Münster am Vorabend des Christopher Street Day (CSD) 2019 in Kooperation mit der Münstergemeinde und queer-christ-ulm.

Podiumsdiskussion zum 27. Januar 2018, Dr. Julia Munier, Richter a.D. Klaus Beer und Zeitzeuge Helmut Kress (v.l.)

Stolpersteine in Ulm

Die Verlegung der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig sind inzwischen zu einem der größten und bekanntesten Projekte innerhalb der deutschen und europäischen Erinnerungskultur geworden. In Ulm übernimmt die Arbeit eine unabhängige Stolpersteininitiative. Die ersten der nunmehr über 100 Steine wurden hier im Mai 2015 verlegt. Das DZOK hat das Projekt in Ulm von Beginn an unterstützt, z.B. durch Hilfe bei Recherchen oder dem Durchführen von Angehörigentreffen. Stolpersteine sind Gedenksteine, die in der Regel mit der Aufschrift „Hier wohnte“ und mit Nennung des Namens und des Schicksals von einzelnen Personen auf Opfer des NS-Regimes hinweisen. Die Verlegung soll konkret an dem Ort, an dem sie gelebt haben, an sie erinnern. Auf der Website der Initiative lassen sich die Kurzbiografien zu den Personen nachlesen, für die in Ulm Stolpersteine verlegt worden sind. Die nächste Verlegung ist coronabedingt auf September 2021 verschoben.

Stolpersteine in Erinnerung an die Familie Adler

Gedenken an die Opfer der NS-Militärjustiz

Im Jahr 2011 gab das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg ein Gedenkbuch für jene Soldaten heraus, die sich zwischen 1939 und 1945 dem verbrecherischen Krieg der Nationalsozialisten verweigerten – und die hierfür in Ulm von der NS-Militärjustiz verfolgt und inhaftiert, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Auf der Grundlage dieses Gedenkbuchs wurden – auf Initiative Ulmer Bürger*innen und mit Unterstützung der Stadt Ulm und des DZOK – 2012 Informations- und Gedenktafeln an den historischen Tatorten angebracht. Seit 2015 erinnern zudem sechs Stolpersteine am ehemaligen Militärgefängnis in der Frauenstraße 134 an hingerichtete Deserteure, die dort vor ihrer Ermordung in Haft saßen. Im Archiv des DZOK ist die Recherchesammlung zu den Opfern der NS-Militärjustiz aufbewahrt. Sie wurde 2020 um neue Quellen ergänzt.

Info-Stelen am Eingang zum Botanischen Garten Ulm

Zwangsarbeit in Ulm

Mitte der 1990er Jahre wurde am DZOK ein Forschungsprojekt zum Thema Zwangsarbeit durchgeführt. Daraus entstand die Publikation „Schönes, schreckliches Ulm“, die auf der Grundlage von 130 Erinnerungsberichten die Auswirkungen der Zwangsarbeit auf die Betroffenen rekonstruiert. Oberstes Ziel der Forschungs- und Erinnerungsarbeit war und ist Verständigung und Versöhnung. 1996/1997 wurden ehemalige Zwangsarbeiter*innen aus Polen zu einer „zweiten Reise“ nach Ulm eingeladen. Dabei entstanden viele persönliche Kontakte und Begegnungen, die zum Teil bis heute bestehen. Das DZOK stellt immer wieder aktuelle Forschungen und Entwicklungen zum Thema Zwangsarbeit und Entschädigung in den Mittelpunkt seiner Arbeit, u.a. der Onlineausstellung „Erinnern in Ulm“, zum 27. Januar 2014 oder in der Veranstaltungsreihe „Neue Forschung vorgestellt“ von 2020.

Gedenktafel am ehemaligen Zwangsarbeiter*innenlager Wilhelmsburg