Auf der Schwelle in eine neue Zeit: Das Jahr 1945
Für Ulm endet am 24. April 1945 der Zweite Weltkrieg mit der Besetzung durch amerikanische Truppen. Die Stadt ist schwer zerstört, ihre Versorgung gefährdet, die Verwaltung stark dezimiert. Der politische Zusammenbruch des NS-Regimes und die militärische Niederlage betreffen alle und sind mit unterschiedlichsten Erfahrungen verbunden: Unmittelbar befreit fühlen sich all jene, denen zuvor die Freiheit geraubt worden war; etwa die mehreren Tausend Zwangsarbeiter*innen, die auf Gerechtigkeit und Bestrafung der an ihnen begangenen Verbrechen hoffen. Befreit werden auch jene Ulmerinnen und Ulmer, die aus ihrer Heimatstadt in Gefängnisse, Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt worden sind und überlebt haben. Dagegen geraten viele Soldaten noch in den letzten Kriegswochen in Gefangenschaft.
Ein Großteil der Bevölkerung, die vor den Bombenangriffen in das Umland ausgewichen ist, weiß nicht, was sie bei ihrer Rückkehr erwartet. Schon bald erreichen zigtausende Flüchtlinge die Stadt, notdürftig in Durchgangslagern untergebracht. Vielen erscheint das Kriegsende angesichts des Todes von Familienangehörigen, materieller Not, der Zerstörungen und einer ungewissen Zukunft allenfalls als „Erleichterung“. Anhänger*innen und Funktionär*innen des NS-Regimes empfinden sein Ende als „Untergang“, verbunden mit dem Verlust ihrer Weltanschauung, einer elementaren Lebenskrise und Angst vor Strafe. Diese Vielfalt der Emotionen und Erfahrungen wird den bald einsetzenden Umgang der Ulmer*innen mit ihrer jüngsten Vergangenheit prägen.